03.01.2017

Der letzte Sommer des Varus?

3D-Scan einer Varusmünze (Bestand Bonn, LVR). Deutlich ist der Stempel »VAR« zu erkennen. 
© Landesamt für Archäologie

Wissenschaftler des Landesamts für Archäologie Sachsen publizieren ein anhand hochauflösender 3D-Scans römischer Münzstempel erstelltes »Bewegungsprofil«

Der Tod des Publius Quinctilius Varus und die Vernichtung von drei Legionen in der Schlacht im Teutoburger Wald durch eine Allianz germanischer Stämme im Jahr 9 n. Chr. stellt einen Wendepunkt in der römischen Germanienpolitik dar. Heute ist diese Schlacht als nationaler Mythos tief in das Bewusstsein der Deutschen verhaftet und über Ort und Ablauf der Schlacht wird seitdem leidenschaftlich gestritten. Dieses »Verliererimage« haftet hartnäckig an Varus, der zuvor als erfahrener und gut vernetzter Politiker bereits zwei Jahre Statthalter in Germanien gewesen war.

Zu den wenigen archäologischen Zeugnissen des Varus in Germanien gehören römische Kupfermünzen, in die seine Initialen »VAR« gestempelt wurden. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Münzen, die zu besonderen Anlässen als Geschenke an die Truppen ausgegeben wurden und zum größten Teil nur im Umfeld der Militärlager zirkulierten. Hunderte Münzen mit VAR-Stempel sind bislang vor allem im Rheinland aber auch auf dem römischen Schlachtfeld bei Kalkriese entdeckt worden. Leichte Abweichungen in der Stempelgeometrie lassen dabei teilweise die Zuordnung einzelner Münzen zu mehr als 30 Stempeln zu.

Ein Team aus Wissenschaftlern unter Leitung von Dr. Johann Friedrich Tolksdorf vom Landesamt für Archäologie Sachsen ist dieser Spur nun mit Hilfe moderner 3D-Scantechnik gefolgt. Durch den »Breukmann award« mit einem Streifenlicht-3D-Scanner ausgerüstet, wurden in verschiedenen Museen in Deutschland, der Schweiz, Luxemburg und den Niederlanden Münzen mit Varus-Stempeln gescannt. Dank einer Auflösung von 28µm war es anschließend möglich, die Abnutzungsspuren und Veränderungen eines der benutzten Stempel im Detail zu rekonstruieren und die einzelnen Münzen nach der relativen zeitlichen Abfolge ihrer Stempelung zu ordnen.

 

Scanvorgang einer Varusmünze mit der Streifenlichtprojektion auf der Münze.
Scanvorgang einer Varusmünze mit der Streifenlichtprojektion auf der Münze.  © Landesamt für Archäologie

Die nun im »Journal of Archaeological Science: Reports« international veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass der untersuchte Stempel mit verschiedenen Ausbesserungsphasen fast bis zur Unkenntlichkeit abgenutzt wurde und am Ende sogar einen Riss aufgewiesen haben muss. Während sich Münzen mit noch wenig abgenutzten Stempeln eher am Oberrhein befinden, konnten Münzen mit Abdrücken des bereits schwer beschädigten Stempels in Nijmegen, Bonn und Wiesbaden identifiziert werden. Das Szenario eines reisenden Münzmeisters, der an verschiedenen Orten mit demselben schwer beschädigten Stempel arbeitet, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr könnten die Truppen diese Münze zur gleichen Zeit an einem unbekannten Ort erhalten haben, wahrscheinlich am Ende einer bislang unbekannten Militäroperation vor dem Rückmarsch in die Winterlager am Rhein. Varus wäre damit nicht der ahnungslose Feldherr gewesen, zu dem die römischen Schriftsteller ihn im Nachhinein gemacht haben, sondern hätte bereits zuvor  Truppen aus dem Rheinland zusammengezogen und wäre bereits einmal erfolgreich aus Germanien zurückgekehrt.

 

Dr. Johann Friedrich Tolksdorf

Der Aufsatz sowie die 3D-Modelle der Gegenstempel sind noch bis 11. Februar kostenfrei verfügbar unter:

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